Nachhaltige Klimapolitik muss gerecht sein

Das soziale Pulverfass Klimakrise

Weltweit erlebten wir in den letzten Jahren, wie der Kampf gegen die Klimakrise wirtschaftliche und soziale Gräben öffnet. National wie international trifft die Klimakrise die ärmsten Bevölkerungsgruppen am härtesten, während sich reichere teure Anpassungen an unsere veränderte Umwelt (noch) leisten können. Klimapolitik muss finanziell schwächere Bevölkerungsgruppen genauso wie Regionen des ländlichen Umlands von Großstädten berücksichtigen. Covid-19 wird das Klima nicht retten.

Für die Erfüllung der Pariser Klimaziele ist ein Preis für CO2 notwendig. Ein solcher wäre zum Beispiel jener auf Benzin und Diesel, der Kostenwahrheit beinhaltet. Die TU Dresden hat für Deutschland errechnet, dass pro getankten Liter Benzin die Gesellschaft zusätzlich € 1,90 für Unfall- und Klimaschäden sowie Luftverschmutzung und Lärmbelästigung draufzahlt. Eine derartige Treibstoff-Verteuerung ist ein politisches und soziales Pulverfass, das sich bereits in den letzten Jahren in politischen Unruhen wie der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich entladen hat. Denn am stärksten betroffen sind armutsgefährdete Bevölkerungsgruppen. Besonders, weil seit Jahren die Vermögens- und Einkommensungleichheit in vielen Ländern wieder steigt. Muss dieses Pulverfass existieren? Nein, denn die Abhängigkeit vom Auto kann mit einem gut ausgebauten und leistbaren Öffi-Netz gelöst werden.

Die Klimakrise wird in der momentanen Situation auch nicht wie von Zauberhand gelöst, im Gegenteil. Die Annahme, dass die Corona-Krise dem Klimaschutz helfe, halte ich mindestens für zynisch und maximal für schlicht falsch. Eine solche Aussage verharmlost Leid und existenzielle Ängste in der augenblicklichen Situation. Corona zeigt außerdem nicht, wie radikale Klimaschutzmaßnahmen funktionieren könnten oder eine nachhaltigere Zukunft aussehen wird, sondern wirft den Klimaschutz zurück. Um nur drei Gründe dafür zu nennen:

  • In der aufgrund der Corona-Maßnahmen zu erwartenden Wirtschaftskrise werden weniger Gelder für den Klimaschutz verfügbar sein.
  • Der Preis für Emissionszertifikate und fossile Energieträger ist eingebrochen, was grüne Investitionen unattraktiv macht.
  • Und Staatshilfen, die an keine Umweltauflagen geknüpft sind, setzen falsche Investitionsanreize.

Kurz gesagt: Der Corona-bedingte Rückgang der CO2-Emissionen ist sicher nicht langfristig.

Stattdessen darf eine nachhaltige Klimapolitik nicht nur reicheren Bevölkerungsgruppen dienen. Im Zuge der Verkehrswende müssen neben einem kostenwahren CO2-Preis auch Alternativen zum Auto mittels günstigerem und auch im ländlichen Umland attraktiven öffentlichen Verkehr geschaffen werden, sowie Anreize für den Individualverkehr wie die Pendlerpauschale vom Einkommen abhängig gemacht werden. Grundsätzlich gilt: Umso reicher, desto mehr CO2 wird ausgestoßen. Ein solches Verhalten kann nicht auch noch mit einer Pauschale gutgeheißen werden.

Solange Bund und Land im Zusammenspiel mit der ÖBB unsere Region vernachlässigen, müssen Alternativen zum öffentlichen Verkehr im Ort geschaffen werden. Deswegen fordert das Grüne Kleeblatt seit Jahren Fahrtendienste und E-Carsharing, beziehungsweise in jüngster Zeit eine Ausweitung des Gmoamobils! Im Carsharing und dem kurzfristigen Mieten von Fahrzeugen besteht eine Möglichkeit für die Zukunft. Ein privates Fahrzeug, das in Wirklichkeit zu 90 % der Zeit ein “Stehzeug” ist, ist eine Verschwendung von Ressourcen, die wir uns mit nur einem Planeten nicht leisten können.

Thomas Piketty, einer der Stars der Ungleichheitsforschung, spricht in seinem neuesten Wälzer “Kapital und Ideologie” von einer Gefahr für unsere Zukunft: “Wenn das heutige Wirtschaftssystem nicht grundlegend geändert wird, um es sowohl in den einzelnen Ländern als auch zwischen den Staaten weniger ungleich, gerechter und nachhaltiger zu gestalten, könnten der fremdenfeindliche ‘Populismus’ und seine eventuellen Wahlerfolge sehr bald eine Bewegung zur Zerstörung der hyperkapitalistischen, digitalen Globalisierung der Jahre 1990–2020 einleiten.”

In einer solchen Vorhersage besteht genügend Platz für eine moderne Volkspartei, die eine Erzählung für eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft vertritt. Eine Bewegung, die beschreibt, wie dieser Wandel organisiert sein soll und so ihre Existenz rechtfertigt. Das klingt vielleicht nach einer anachronistischen Aussage, die nicht in die Zeiten von Individualität und Selbstoptimierung passt. Aber eine gemeinsame Erzählung stiftet Zusammenhalt und einen Wegweiser für die Zukunft anstatt eines falsch verstandenen Freiheitsbegriffs: Die eigene Freiheit geht nur so weit, wie sie die Freiheit eines anderen Menschen angreift. Das sehen wir in der momentanen Covid-19-Situation bei Menschen, die keine Rücksicht auf Mitmenschen nehmen und beispielsweise die Maskenpflicht verweigern. Dasselbe nicht-gemeinschaftliche Handeln steckt in vielen Ablehnungen einer konsequenteren Klima- und Sozialpolitik, die in Zukunft nur Hand in Hand gehen können.

(Lorenz Gschwent, Umweltgemeinderat)

 

Quellen:

Udo J. Becker / Thilo Becker / Julia Gerlach, Externe Autokosten in der EU-27. Überblick über existierende Studien. 2012.
Bundesministerium für Verkehr und digital Infrastruktur (Hrsg.), Verkehr in Zahlen 2019/2020. 2019.