Der Spaziergang beginnt in meinem Wohnzimmer
Seit fünf Jahren hängt in meinem Wohnzimmer ein Bild von Wolfgang Krebs und es fühlt sich an, als ob es schon immer hierher gehört hätte. Ich sehe im Bild eine Landschaft, Wasser, Berge, ein Haus, finstere Wolken, hellen Sonnenschein. Die Wildheit des Bildes wird durch durchscheinendes Weiß, das langsam, wie auf einer Fensterscheibe herunterrinnt, gemildert. Abstand von der Welt da draußen wird dadurch gewonnen. Ich muss in dieses Bild aber auch gar nicht so viel hineindenken, es hängt da über meinem Sofa und gehört zu meinem Leben.
Clasien und ich besuchen heute Wolfgang in seinem Atelier in Traunfeld. Über die Hauptstraße gelange ich zum Hauptplatz. Dort gibt es seit einiger Zeit den Nordsalon. Heidelinde Schmid hat ein wundervolles Antiquariat zum Schmökern eingerichtet. Es gibt Bücher, Schallplatten und vieles mehr. Gemütlich kann man sich auch hinsetzen, Kaffee trinken und Kuchen essen. Ein Ort zum Wohlfühlen. Jede zweite Woche hat der Salon geöffnet.
Ich grüße den Kaiser am Hauptplatz und biege in die Bahnstraße ein. Clasien erwartet mich schon in ihrem Garten. Beide sind wir mit Sonnenhüten ausgerüstet, es ist ziemlich heiß und schwül. Ich habe zur Sicherheit einen Regenschirm in meinen Rucksack gesteckt.
Schleinbach lassen wir schnell hinter uns, auf dem Radweg geht es nach Kronberg und dann steil bergauf durch die Weingärten. Oben angekommen schauen wir nach Schleinbach, Ulrichskirchen und Unterolberndorf. Hinter uns befindet sich das Kloster von Kronberg. Am Wegrand steht ein Kirschbaum. Die Kirschen sind dunkelrot, wir öffnen einige Früchte und freuen uns, dass wir keine Würmer finden. Die Kirschen sind süß. Unser Weg nach Traunfeld führt uns nach rechts in den Wald. Hier ist es angenehm kühl und ziemlich verwachsen. Das Gras steht hoch und die Äste versperren uns oft den Weg. Unsere Gespräche führen uns vom Ibiza-Untersuchungsausschuss zum letzten Interview unserer Verteidigungsministerin, zu vergesslichen Bundeskanzlern und Finanzministern und wir fragen uns, ob unser Staat wirklich in guten Händen liegt. Laut den Meinungsumfragen steht die Mehrheit allerdings vertrauensvoll hinter unserer Regierung.
Der Pfad wird durch den Wald wird immer enger und zieht sich. Nach einer Stunde Gehzeit sind wir endlich am Waldrand und nun geht es auf dem Radweg Richtung Traunfeld weiter. Wir sehen schon die ersten Häuser. Entlang an gepflegten Gärten und einigen merkwürdigen Kunstwerken aus Stein und Blech erreichen wir die Hauptstraße. Kurz bevor wir in die Kurt Sowinetz Straße einbiegen, kommen wir beim Forst- und Gartenbau Westermayer vorbei. Viele schöne Sommerblumen gibt es dort, und ich nehme mir vor, in den nächsten Tagen einige Zinnien zu holen. Diese bunten Blumen, die bis in den Herbst hinein blühen, mag ich besonders gerne. Meine Pflänzchen wurden heuer leider schon alle von Schnecken aufgefressen.
Wolfgang erwartet uns schon. Wir setzen uns in sein Atelier. Sofort fällt eine schneeweiße Leinwand auf. Daneben liegt eine Skizze vom Wartberg. Wir beide kennen diese Ansicht sehr gut. Wenn man aus Wolkersdorf kommend die Autobahnbrücke überquert, eröffnet sich dieser Ausblick und verschwindet sehr schnell nach der Kurve Richtung Ulrichskirchen. Ich kann gut verstehen, dass Wolfgang diesen Landschaftsausschnitt gerne festhalten will. Es fällt auf, dass seine neueren Bilder gegenständlicher geworden sind. In der Zeit, in der wir alle so viel zu Hause gewesen sind, hat er Ausblicke aus seinen Fenstern gemalt. Jetzt hängen diese Bilder neben den jeweiligen Fenstern und geben einen guten Vergleich.
Nur einen Bruchteil der hier vorhandenen Bilder kann man auch sehen. Sie stehen sehr eng aneinander gelehnt. Auch Wolfgang kann die Anzahl nur ungefähr angeben. 80 Leinwände sind sicher eine sehr vorsichtige Schätzung.
Aber bald gibt es wieder Ausstellungen. Nachdem einige Termine abgesagt wurden, werden sie nun nachgeholt und ich freue mich darauf, ausgewählte Werke in Ruhe anschauen zu können.
Wolfgang erzählt noch von neuen Techniken, die er ausprobiert, von Experimenten mit Farben. Ich höre ihm gerne zu, man spürt seine Leidenschaft und Freude.
Es ist spät geworden, wir haben noch einen weiten Weg und so bedanken und verabschieden wir uns. Es ist noch immer sehr warm und meinen Schirm hätte ich zu Hause lassen können. Wir sprechen über unsere Sommerpläne. Unsere Reisen führen uns heuer ins Waldviertel und in die Steiermark. Ich werde unsere geplante Italienreise nächstes Jahr nachholen.
Die Veranstaltungen von „Kultur im Park“ in Kronberg sind auf den August verschoben. Wir beschließen, unseren Augustspaziergang zu einem Elvis Abend zu machen. Ich werde reservieren, da es eine beschränkte Anzahl von Karten geben wird.
Vor Clasiens Haus verabschieden wir uns, das letzte Stück gehe ich allein. Zu Hause angekommen bin ich müde.
Termine
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