Deponie Rautenweg

Als Alexander eine Wanderung entlang der Deponie Rautenweg vorschlägt, sind Clasien und ich dabei.

So oft fahren wir mit der Schnellbahn am Müllberg vorbei, sehen ihn immer nur von Zugfenster aus und ihn einmal auch von der Nähe zu sehen, gefällt uns.  Alexander versorgt uns gleich einmal mit ersten Informationen. Mit der derzeitigen Höhe von 40 Metern über dem Gelände ist er die höchste Erhebung in der Donaustadt. Ein Schüttvolumen von 23 Millionen Kubikmetern ist genehmigt, 10 Millionen Kubikmeter an Abfällen wurden in den letzten 60 Jahren abgelagert, im Endausbau wird die Höhe der Deponie 70 Meter betragen.

Mit dem Vorwissen ausgestattet, treffen wir uns an einem Samstag Vormittag in der Schnellbahnstation Leopoldau. Alexander hat einen Rundweg geplant und so wandern wir zuerst durch die Nordrandsiedlung.

Die Siedlung wurde 1934 bis 1935 von Josef Heinzle und Anton Hübl  geplant und erbaut. Die Doppelhäuser waren mit Wohnküche, Schlafraum, Kleintierstall und Wirtschaftsraum einfach ausgestattet. Gebaut wurden die Häuser mit den späteren Bewohnern gemeinsam, vergeben wurden sie per Los. Damit wurde sichergestellt, dass alle Häuser mit der gleichen Sorgfalt errichtet werden.

Die Siedlung hat sich natürlich im Laufe der Jahre verändert, aber beim genauen Hinsehen kann man hie und da die ursprünglichen Doppelhäuser erkennen.

Alexander erzählt uns von der Entstehungsgeschichte der Siedlung und stellt zum Schluss sogar noch eine Verbindung zu Sigmund Freud her: Schon 1934 wurde über die Errichtung einer Pfarrkirche in der Nordrandsiedlung verhandelt. Es wurde anfänglich eine Notkirche im Genossenschaftshaus errichtet. 1938 wurde die Kirche geschlossen und 1951 wurde nach den Plänen des Dombaumeisters Stögerer die Kirche als Holzriegelbau errichtet. Er konnte die neugotischen Fenster des von Friedrich Schmidt entworfenen, in der 1880iger Jahren errichteten und 1951 abgerissenen Sühnhaus, integrieren.

Das Sühnehaus wurde von Kaiser Franz Josef gestiftet. Er ließ das Gebäude auf dem Grundstück des 1881 durch eine Brandkatastrophe zerstörten Ringtheaters errichten. Dabei waren 386 Menschen ums Leben gekommen. Im Gebäude waren Mietwohnungen und eine Kapelle untergebracht. Sigmund Freud war der erste Mieter dieser Räumlichkeiten. 1945 brannte das Sühnhaus ab, die neugotischen Glasfenster blieben unversehrt und wanderten in die Nordrandsiedlung.

Nach der Siedlung, die wir nach so viel Informationen mit anderen Augen sehen, überqueren wir die Wagramer Straße. Und kommen an einem riesigen Platz eines Autohändlers vorbei. Unzählige Gebrauchtwagen warten auf Käufer. Gleich dahinter begegnen wir Gleisresten. 1912 bis 1914 wurde hier in Breitenlee ein Verschiebebahnhof geplant. Die Anlage sollte rund 4 km lang und bis zu 500 m breit werden, Im Endausbau sollte der Bahnhof 100 Gleispaare nebeneinander umfassen. Geplant waren auch Rundlokschuppen, Wasserstationen, Werkstätten, ein Heizhaus und ein Kohlebunker.

So weit sollte es aber nie kommen. Das Projekt wurde zu ca. 2 Dritteln realisiert und dann aus Geldmangel eingestellt. Die Gleisanlagen wurden großteils demontiert. Heute bestehen Gleisreste, die von der Laaer Ostbahn aus zu befahren sind.

Wir staunen über 5 Loks 1014, die hier herumstehen. Auch Alexander weiß nicht warum, er weiß aber, dass diese nur relativ kurz im Einsatz waren (ca. von 1995 bis 2003).

Das ehemalige Bahnhofsareal ( 990,31 ha)  ist heute ein wichtiges Naturbiotop.

Endlich kommen wir zur Deponie Rautenweg. Sie dient heute der Ablagerung von aufbereiteten, geruchslosen Rückständen aus den Wiener Verbrennungsanlagen. Auf Grund der steppenartigen Beschaffenheit ist die Deponie Lebensraum vieler Tierarten und verschiedener Pflanzen. Plötzlich und unerwartet spazieren wir am Rand der Deponie in unberührter Natur. Ein paar Ziegen beobachten uns neugierig und Kühe glotzen uns freundlich an.

Alexander meint, dass wir uns eine Pause verdient haben. Wir finden einen schattigen Platz und dann packt er aus dem Rucksack ein paar Schnapsgläser und eine Flasche Grappa aus: Wenn wir auch auf keinem Gipfel stehen, so gehört doch am Höhepunkt einer Wanderung ein Anstoßen mit Schnaps, sagt er.

Der letzte Teil der Strecke führt uns nach Süßenbrunn. Hinter einer Böschung gehen wir entlang eines Schotterteiches. Leider ist er nicht zugänglich, eine kleine Schwimmrunde wäre jetzt angenehm. Aber auch unser nächstes Ziel ist lohnend. Wir kehren im Gasthof Flokal ein. Der Gastgarten ist schattig, die Getränke kühl und das Essen hervorragend. Zum Abschluss empfiehlt uns der Kellner wärmstens Erdbeerknödel. Die seien ganz frisch gemacht und der Topfenteig köstlich. Und Recht hat er.

Nach dem Essen, der Wanderung und den vielen überraschenden Entdeckungen erreichen wir nach ca. 20 Minuten wieder den Bahnhof in Leopoldau.