Jede für sich - daheim
Clasien legt ihren Fotoapparat griffbereit auf ihren Gartentisch, ich lege mein Notizbuch auf meinen Küchentisch. Wir dokumentieren einen Tag – jede für sich – daheim.
5. Juli 2021
Die Ruhe vor dem Sturm
Morgen kommen die Bauarbeiter.
Der Dachboden wird saniert.
Unprofessionell angebrachte,
von Mardern zerfressene Tellwolle,
muss abgetragen werden,
neue Dämmplatten werden sauber aufgebracht.
Der Blick aus dem Fenster zeigt
vom Wind verwehte Birkenzweige.
Die Holunderblüten und der Jasmin sind verblüht,
schnell ziehen die Wolken am blauen Himmel vorbei.
Der Sprecher im Radio erzählt mir,
dass die Arbeitsplätze knapp sind
und dass viele Urlaub auf Kredit machen.
Wenn der Urlaub längst vorbei ist,
laufen die Ratenzahlungen noch monatelang weiter.
7 Uhr 30
Nach dem Frühstück
wird zusammengeräumt.
In der Küche, in den Zimmern, im Kopf.
10 Uhr 30
Der kleine Franz kommt mich mit seiner Oma besuchen.
Er vertieft sich ins Legobauen,
baut ein Gehege für seine mitgebrachten Dinosaurier.
Oma und ich trinken Kaffee und tratschen.
11 Uhr
Fenchelreis duftet in der Küche.
Risotto muss unermüdlich gerührt werden.
Im „Hohen Haus“ wird der Untersuchungsausschuss besprochen.
Es ist ein Drama.
Der Fenchelreis schmeckt nicht besonders,
in einer Lade finde ich einen Müsliriegel.
13 Uhr 30
Die Sonne brennt
der Garten ist eine trockene Wüste.
Die Paradeiser färben sich blassrot.
Ich schneide die verblühten Rosen,
die braun gewordenen Blüten des Frauenmantels.
Wenn der Regen kommt,
werden die kleinen, frischen gefalteten Blätter herausschießen,
die Tautropfen werden in der Morgensonne glitzern
bis die Sonne sie wieder verdunsten lässt.
14 Uhr 10
Der Briefträger bringt das Wolkersdorfer Regionaljournal.
Ich freue mich über die Rezension meines Buches „Rosina“.
Unter den abgeschnittenen Pflanzen verstecken sich Schnecken,
die sich in ihre Häuser zurückgezogen haben.
Ich bringe sie an den schattigsten, kühlen Ort des Gartens.
Die vielen Marienkäfer sorgen dafür,
dass meine Rosen keine Läuse haben.
18 Uhr 10
Die Küche ist sonnendurchflutet.
Beim Geschirrspülerausräumen springt mir jedes Staubkorn
auf den Fensterscheiben ins Auge.
21 Uhr 30
Ein letztes Mal setze ich mich an den Küchentisch
und notiere:
ich mag die langsamen Tage, an denen nichts passiert.
Morgen kommen die Bauarbeiter.
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