St. Pölten
23.März 2023
Ich sitze um 6 Uhr 30 im Wiesel. Wird der Bus überfüllt sein, fragte ich mich letzte Nacht.
Wir sind 4 Frauen bei der Haltestelle in Wolkersdorf und erkennen sofort unser gemeinsames Ziel und freuen uns, dass wir Mitstreiterinnen treffen.
Im Bus lese ich Zeitungen online: „Wir tun das aus Verantwortung fürs Land“, sagen sie. „Wir wollen Gräben zuschütten“, sagen sie. „Wir mögen uns nicht“, sagen sie, „aber die anderen noch viel weniger. Wir werden die Impfgegner, die so viel Unrecht erleiden mussten, entschädigen, wir werden auf unsere Sprache aufpassen, wir werden nicht unnötig herumgendern und wir werden unser Schnitzel hochhalten.“ Ach ja, und „er“ hat die Waldviertelautobahn noch ins Koalitionsübereinkommen hineinreklamiert.
In St. Pölten werden die Banner und Plakate vor dem Landhaus schon hochgehalten. Noch sind wir ein lockerer Kreis, später werden wir an die 500 Menschen sein. Kurz vor Beginn der Kundgebung, marschiert „Waldhäusl“ mitten durch die Menge. Er genießt den Lärm und die Puh-Rufe. Andere prominente Politiker der Koalition sehe ich nicht.
Die Vertreter der Organisatoren und Unterstützer der Veranstaltung, SOS Mitmensch, Omas gegen Rechts, Verein Willkommen Scheibbs, SOS Balkanroute und die Autorin Gertraud Klemm halten Reden. Sie erhalten lautstarken Zuspruch.
Ich stehe inmitten der Omas und mir wird das Herz schwer. Wir können diese Koalition – und sei sie noch so reaktionär - nicht verhindern. Ich frage mich, ob wir wenigstens einige Leute zum Nachdenken bringen können. Obwohl unter uns Demonstrierenden ein spürbares Wir-Gefühl entsteht, bin ich unendlich traurig. Was passiert hier?
Um 9 Uhr 30 ist die Versammlung beendet. Vor der Landtagssitzung muss eine Bannmeile eingehalten werden. Vorher wird es noch einmal richtig laut. Trillerpfeifen werden eingesetzt und lautstark skandieren alle „Schande“ und drängen zum Eingang des Landhauses.
Danach geht es rasch, die Menge zerstreut sich, der Platz ist kurz vor 10 Uhr wie leergefegt. Es ist für diese Jahreszeit ungewöhnlich warm und ich spaziere Richtung Bahnhof. Am Domplatz ist Ostermarkt. Kuchen, Brot, Gemüse, Obst und Blumen werden angeboten. Der Markt ist gut besucht. Vereinzelt treffe ich Omas, die auch durch die Straßen schlendern.
Kurz vor dem Bahnhof entdecke ich ein Schild in einer Auslage: Schaumrollen! Handgefertigt!
Ich kann nicht widerstehen. Vor dem Bahnhofsgebäude finde ich ein sonniges Platzerl und brösle mit meiner Schaumrolle. Sie ist picksüß.
Die Fotos sind vom Standard, vom Falter, von Clasien und Ulrike. Alles Fotos wurden von Clasien bearbeitet.
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