Das leise Sterben

Warum wir eine landwirtschaftliche Revolution brauchen, um eine gesunde Zukunft zu haben.

Martin Grassberger zeigt in seinem neuen Buch - eben zum Wissenschaftsbuch des Jahres gewählt - die Zusammenhänge zwischen der rücksichtslosen Zerstörung und Ausbeutung der Natur durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie und dem rasanten Anstieg chronischer Krankheiten auf. Bis zu der Tatsache, dass sich aufgrund der Zerstörung von Ökosystemen und deren Folgen Migranten auf den Weg über das Mittelmeer nach Europa machen. Mit einem Plädoyer für eine kleinräumig strukturierte, nachhaltige Landwirtschaft zeigt der Arzt und Biologe jedoch auch Auswege aus dem Dilemma.

Trotz scheinbar gesicherter Ernährungslage und hochentwickelter Medizin – chronische Krankheiten (Krebs, Diabetes Typ 2, Demenzerkrankungen, etc.) sind seit den 1980er Jahren weltweit rasant im Anstieg begriffen. Trotz eines in Österreich relativ hohen Anteils biologisch wirtschaftender Landwirtschaftsbetriebe – weltweit gesehen dominiert seit den 1960er Jahren zunehmend die industrielle Landwirtschaft. Diese Industrielle Landwirtschaft kann nur durch das großflächige Ausbringen von Kunstdünger (und das in immer größeren Mengen) sowie den Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Fungiziden ihre hohen Ernteerträge einfahren. Kunstdünger und „Pflanzenschutzmittel“ bringen jedoch die Ökosysteme aus dem Gleichgewicht und stören die Mikrobiome der Böden. Immer weniger landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaften immer größere Flächen in Form von Monokulturen – weltweit hauptsächlich werden Weizen, Mais und Reis. Mit Ihrem Verzehr nehmen wir die Rückstände von Dünger und Pflanzenschutzmitteln auf, die auch das menschliche Mikrobiom aus dem Gleichgewicht bringen und uns ebenso wie die Pflanzen anfällig für chronische Krankheiten, die sich im Verlauf von Jahren bis Jahrzehnten entwickeln, machen. Die zunehmende Zerstörung der Böden, die sich im Übrigen auch dadurch zeigt, dass bei jedem sommerlichen Starkregen Erde in Form von Schlamm von den Feldern auf die Straßen gespült wird – wie wir auch jedes Jahr in unserer Gemeinde beobachten können. Die Zerstörung der Böden führt auch dazu, dass bei dem Bestreben, landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu gewinnen, nicht nur großflächige Rodungen (Amazonas) stattfinden, sondern auch Ackerflächen in Asien oder Afrika requiriert werden (Landgrabbing). Die betroffenen Bauern machen sich dann teilweise über das Mittelmeer auf nach Europa. Martin Grassberger, Arzt, Biologe und (Eigendefinition) Hobbylandwirt zeigt schlüssig die Zusammenhänge auf.

Jedoch mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für eine kleinstrukturierte, nachhaltig wirtschaftende Landwirtschaft, die entgegen der Behauptungen der Agrarindustrie sehr wohl die Ernährung der Weltbevölkerung sicherstellen kann, zeigt der Autor Auswege aus der gegenwärtigen globalen Gesundheits-, Umwelt- und Gesellschaftskrise auf. Das Buch der Stunde, spannend geschrieben und auch für interessierte Laien klar und verständlich!

(Gabriele Scharrer-Liska)

Martin Grassberger, Das leise Sterben. Warum wir eine landwirtschaftliche Revolution brauchen, um eine gesunde Zukunft zu haben. Salzburg – Wien 2019. Residenz-Verlag. ISBN: 9783701734795

Das Buch befindet sich auch im Bestand der Bücherei Schleinbach und kann dort entlehnt werden.